Stöckchen vorbei... Und jetzt? Wie weiter?

Also, ich war gestern Abend mal wieder bei einem Konzert. Jay Brannan hat im Roten Salon der Volksbühne gespielt. Da war ich zum ersten Mal, allerdings war das mein drittes oder viertes Jay Brannan-Konzert. Und bei ihm ist es mir wie damals bei Bernadette La Hengst gegangen(Hörprobe), einmal live erlebt und so gebannt, dass ich kein Konzert mehr auslasse. Keins.

Und ich bin jedes Mal wieder auf ein Neues überwältigt. Und überrascht, dass ein so ein kleines Menschlein, das mit einer Gitarre auf einem Barhocker sitzt und quasi ein langsames Lied nach dem anderen singt und spielt, so in den Bann ziehen kann. Diese Stimme. Dieses Wesen. Ich glaube, Jay kann man eigentlich nur lieb haben. Ja. Hach.

Eine Frage, die mich seit sicher fünfzehn Jahren umtreibt, ist: Was ist Attraktivität? Was macht sie aus? Wieso findet ich manch jemanden attraktiv, wieso manch jemand mich?

Eine zufriedenstellende Antwort habe ich bislang nicht gefunden. Manchmal ist es Äußerlichkeit, Aussehen, manchmal ist es Ausdrucksvermögen, Witz, Ausgefallensein, manchmal sogar Unerreichbarkeit. Manchmal finde ich jemanden attraktiv, weil dieser Jemand mich attraktiv findet.
Manchmal ist sie sofort da, durch einen Blick, eine Berührung, manchmal wächst sie langsam, und wiederum manchmal geht sie so plötzlich verloren, wie sie gekommen ist. Aus genauso wenig greifbaren Gründen.

Irgendwie lässt sich das gar nicht so einfach definieren. Was ich am einen Menschen attraktiv finde, löst am anderen noch lange nicht das Gleiche aus. Und vielleicht ist das ja der nötige Blickwinkel. Attraktivität ist individuell und sehr persönlich. Das, was eine berührt, eine irgendwo kitzelt, Interesse weckt, das ist Attraktivität. Und man kann vielleicht bloß lernen, die Zeichen dafür bei sich selbst zu deuten.

Wieder in Arbeit versunken, trotzdem an zwei Seen der Mecklenburgischen Seenplatte gewesen, gründlich Grundbräune angesetzt durch vormittägliches Arbeiten auf dem Balkon, stets im Schatten bis die Sonne nachmittags ums Dach herumkommt und den Balkon zum Ofen macht.
Gleich zwei Trennungen diese Woche. Einmal die Liebes- in eine Freundschaftbeziehung gewandelt, zum anderen nun vorübergehend keine Schwester mehr.
Verwundert über diesen Sommer, der so anders ist als der letzte. Bereits zwei Wochen mit der Sommerdecke geschlafen (letztes Jahr bloß zwei Nächte), ganze drei kurze Hosen nacheinander getragen und sogar Trägerhemden, was für mich extrem untypisch ist.
Und ich muss mich überhaupt arg verändert haben (äußerlich). Die Neffen nach Monaten mal wiedergesehen, die mich beide nicht erkannt haben. Weder auf den ersten, noch den zweiten Blick.

Ich habe seit fünf Tagen frei, mache Urlaub auf Balkonien und leseleselesepopese. Schönschön. Vielleicht heute das zweite Buch durch, was dann kommt, mal sehen. Ich genieße die Ruhe, die viele Zeit für mich und Hund - weil ich mir menschenfrei gegeben habe, was mir extrem gut tut.
Viel schlafen, viel lesen, viel essen.
Durchschnaufen.
Schön!

Das ist mal wieder nötig - und das gab es sogar schon einmal in meinem Leben.

Das Vertrackte daran, eine Phase hinter sich zu haben, in der man jeden Cent zweimal umdrehen musste, ist - zumindest in meinem Fall -, dass, sobald man wieder liquide ist, tüchtig was für die Konjunktur getan wird. Weil sich so viele Wünsche angestaut haben. Kaufrausch. Blinder Kaufrausch, denn es ist nie das Nötige, was ich dann kaufe (Klamotten o.ä.), sondern das Schöne. Das ist dann wie Weihnachten mitten im Jahr - und wirklich genau so. Dann kommt alles auf einmal, ich freu mich und weiß trotzdem nicht, womit ich zuerst spielen soll...

Lustigerweise tobe ich mich wirklich als erstes im Buchladen aus, was besonders meine befreundete Buchhändlerin freuen dürfte. Und im zweiten Schritt dann womöglich Ikea, denn wohin mit den neuen Schätzchen, die anderen lösen sich ja nicht einfach so in Staub auf (zum Glück!!). Das Schlimme ist, dass ich mich dann meist nicht entscheiden kann, mit welchem Buch ich zu lesen anfangen will, weil ich sie alle gleich dringend lesen möchte. Und dann seufzen die anderen ungelesenen, die noch im Regal warten, ganz enttäuscht. Da ist wer jüngeres, schöneres, aktuelleres...
Aber nein, das eigentlich Schlimme ist, wenn ich dann einfach nicht dazu komme, überhaupt nur eines davon zu lesen, weil ständig wieder welche zum Begutachten eintrudeln. Das sind selten welche, für die mein Herz schlägt, selten welche, die mich wirklichwirklich tief beeindrucken.
Und dabei möchte ich ja nicht nur lesen, ich möchte auch mal wieder Ausflüge machen. Mit der Kamera. Oder einfach so, ohne Ziel. Mich treiben lassen. Durch diese Stadt. Den Kopf freikriegen.
Denn jetzt ist schon Mitte 2013 - und ich habe dies Jahr noch gar kein Foto von Berlin gemacht. Gar keins! Das macht mich fertig. Ich muss meine Prioritäten mal überdenken... Zunächst aber: Buchkaufverbot! Erst mal den Stapel kleinerlesen - und dabei hoffentlich das eine oder andere bewegende Schätzchen heben. Und trotzdem Arbeit, Freundin, Hund und Schlaf unter einen Hut bringen. Das gute alte Hütchenspiel... Es wird, es wird. Oder? Ich bin doch jetzt erwachsen, wieso hab ich das Gefühl, das Leben immer noch nicht so richtig im Griff zu haben?