Langsam füllt sich der Laufkalender 2016 - und ich freu mich. In den kommenden Tagen erfahre ich außerdem, ob ich auch 2016 am Berlin Marathon teilnehmen kann... Dieses Warten ist ein bisschen anstrengend. Hoffen und Bangen.
Nun ja, gehört dazu.
Aber auch sonst liegt ein sehr schönes 2016 vor mir. Wunderbar!
Nun ist er schon fast einen Monat her, mein zweiter Marathon. Und ich kann immer noch nicht ganz fassen, wie gut es gelaufen ist. Bei der Startunterlagenausgabe konnte ich den netten Herrn überzeugen, mich in einen besseren Startblock zu stecken, sodass ich nicht im H-Block starten musste.
Diesmal lief die Vorbereitung sensationell. Beim letzten Vorbereitungs-HM konnte ich meine PB noch einmal verbessern, lag voll im Trainingsplan für 03:45:00 und habe mich nicht ganz so irre gemacht wie noch letztes Jahr.
Zwar habe ich mich bei einem der langen Läufe verlaufen, sodass ich drei Kilometer länger unterwegs war, was meinem Knie nicht so ganz gefallen hat. Da es dicker war als sonst, riet mir eine Freundin, sicherheitshalber einen Orthopäden aufzusuchen, was ich auch tat - und ich bin immer noch dankbar für den Schubser, denn dieser Orthopäde ist sensationell. Man sitzt vielleicht fünf Minuten im Wartezimmer, drei im Behandlungszimmer und dann steht man mit einem Rezept für Physiotherapie vor der Praxis.
Auch mit meinem Physio hatte ich großes Glück. Es war nichts weiter Schlimmes an meinem Knie auszusetzen, die Bänder einfach etwas zu fest. Er hat meine Beine gelockert - und so konnte ich diesmal gänzlich ungetapet laufen, was für ein Segen.
Die Aufregung war diesmal irgendwie extremer. Ich war am Freitag und Samstag praktisch zu nix zu gebrauchen, weil sich in meinem Kopf Sorgen drehten. Würde ich es wirklich in 3:45 schaffen? Übernahm ich mich? Würde es genauso schön werden wie letztes Jahr? Fast ohne privaten Support an der Strecke?
Und es wurde sensationell. Leider begegnete ich zwar noch vor dem Start dem einen Menschen, dem ich absolut nicht begegnen wollte, aber auch das konnte das Erlebnis nicht trüben.
Frieren bis zum ersten Startschuss, wieder gelbe Ballons, die in die Luft steigen, die Frage, ob ich doch noch einmal zur Sicherheit zu einem der Dixiklos abbiege. So schrecklich nervös wie 2015 war ich diesmal nicht so unmittelbar vorm Start. Aber als ich dann über die Startlinie lief, wurde mir klar, dass ich doch mal besser noch aufs Klo gegangen wäre. Mein Fuelbelt drückte sofort auf die Blase, die eine gewisse Fülle meldete. So verbrachte ich die ersten zehn Kilometer damit, mir zu überlegen, ob ich wieder zwei Minuten opfern wollte, um an einem Dixiklo an der Strecke anzustehen - oder ob ich mich in einen der Büsche am Wegesrand schlagen sollte. Und wie immer staunte ich über die Frauen, die einfach blank zogen, sich aufs Grün hockten und drauflospullerten.
Dann tauchte plötzlich eine Freundin neben mir auf, die sich eigentlich als Zuschauerin bei Km 19 angemeldet hatte. Sie begleitete mich einen halben Kilometer, sagte, ich läge super in der Zeit, sie habe mich über die App verfolgt und ich sehe auch so tippitoppi aus, weiter so. Eine so schöne Überraschung, kurz auf der Strecke von einem bekannten Gesicht begleitet zu werden.
Die nächsten bekannten Gesichter warteten bei Km 21, fanden mich sofort, jubelten, und ich strahlte, es ging gar nicht anders. Weil sie sich so freuten, weil auch sie wussten, wie gut ich in der Zeit lag.
Diesmal kam so bei km 26 ein kleines Tief. So richtig erklären kann ich das nicht. Sofort die Frage, ob ich doch zu schnell gelaufen war, mich übernommen hatte? Wie irre kann man sein, einen Marathon mit 5:20er pace rennen zu wollen? In meinem Alter? Mit gerade mal anderthalb Jahren Lauferfahrung. Aber dann dachte ich an besagte Freundin, die mich bei Km 10 begleitet hatte, dachte daran, dass sie mich via App verfolgte und sich darüber freute, dass ich mein Tempo hielt. Erinnerte mich an meine zwei Freundinnen bei km 21, die mir zuriefen, auch am Brandenburger Tor noch einmal zu stehen - erinnerte mich an ihre Anfeuerungspuschel. Und dann rief mir eine wildfremde Frau vom Straßenrand zu: "Du siehst super aus!" Ich glaube, ich habe von Ohr zu Ohr gestrahlt. Wahrscheinlich weiß sie nicht, wie wichtig genau diese Worte in genau diesem Moment für mich gewesen sind. Ich warf ihr eine Kusshand zu und legte den Turbo ein. Von da an lief ich wie ein Uhrwerk. Oder wie ein VW Käfer, wie eine Freundin danach so nett meinte. Als ich das nächste Mal auf meine Laufuhr schaute, war ich bei Km 37! 37!! Schon fast da. Kurz überschlagen, wie lange ich dann noch unterwegs sein würde und das fette Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Meine Zielzeit war in Greifnähe, ich lag supergut in der Zeit, und ich fühlte mich genial. Frisch, schmerzfrei und glücklich.
Und so lief ich an meinen jubelnden Freundinnen am Brandenburger Tor vorbei, die zu diesem Zeitpunkt auch schon wussten, dass ich sogar noch schneller sein würde. Ich rannte die letzten beiden Kilometer in einer Pace von 5:00 - und es war so leicht. Ich wollte selbst hinter dem Ziel nicht langsamer werden, wäre am liebsten noch weitergelaufen. Die anderen gingen mir viel zu langsam.
Was ein Glück! Was ein Glück dieses Laufen ist! Ich war bei diesem Marathon über eine Stunde schneller als im Vorjahr. Und ich hatte nichts. Keine Schmerzen, kein K.O.-Gefühl, keine Bauchkrämpfe, keine Atemnot. Nix. Pures Glück! Und eingehalten bis zum Zielbereich hatte ich außerdem.
Schnell umgezogen und zum Familientreffpunkt, meine Freundinnen finden, die sich so sehr freuten wie ich mich. Wir setzten uns in die Sonne und strahlten um die Wette. Und dann ging's nach Hause. Ich kam die Treppen 1a hoch - und auch 1a wieder runter, machte schnell eine Hunderunde, bevor ich mich unter die Dusche stellte. Und es nicht fassen konnte. Wieder ein halbes Jahr Vorbereitung vorbei, wieder ein Marathon vorbei, und dann so sensationell schnell gelaufen. Ich bin im vorderen Fünftel meiner Altersklasse, was für mich vor noch einem Jahr völlig unvorstellbar gewesen ist.
Genauso wie der Trainingsplan, den ich mir für den nächsten Marathon herausgesucht habe. Diesmal bin ich für einen Frühjahrsmarathon angemeldet, fliege noch auf dem High dieses Erlebnisses - und genieße mein Leben.
Im Urlaub habe ich Matthias Polityckis 42,195 gelesen - und kann es nur wärmstens empfehlen. Ein wirklich schön geschriebenes Buch über das Laufen, immer schön mit Augenzwinkern und voller Selbstironie und kleinen Anekdoten von den Marathons dieser Welt. Wunderbar. Wenn mich nicht schon das Lauffieber gepackt hätte, dann spätestens nach der Lektüre.
Ich bin mitten in der Marathonvorbereitung. Letztes Jahr um diese Zeit war für mich jede Strecke über 20 km unvorstellbar lang - und nach jedem langen Lauf habe ich mich und meine Füße und Knie und Knöchel und den Urin und die Atmung und alles aufmerksam und neugierig und verwundert beobachtet und bestaunt.
Da passierte was mit mir und meinem Körper. Jedes Wochenende ließ mich der Trainingsplan eine Schippe drauflegen und jedes Wochenende legte auch mein Körper wieder eine Schippe drauf.
So gut wie 2014 ging es mir rein körperlich lange nicht. Vielleicht nie. Mein persönlicher Schwachpunkt war seit der Pubertät das Knie. Klar, die Achillessehne hat auch dann und wann gemuckt, aber das, was immer wieder Probleme gemacht hat, war das Knie. Und jetzt - rückblickend - kann ich sagen, auch der Kopf. Der Kopf hat daran geglaubt, dass ich den Marathon schaffe - ICH -, aber an meinem Knie hat er trotzdem gezweifelt.
Dieses Jahr fühlt sich das Training anders an. Ich bin nicht mehr so überwältigt von den krassen Zahlen, die in meinem Trainingsplan stehen, ich sehe es eher mit Erstaunen, dass ich 2015 schon fast doppelt so viele Kilometer gelaufen bin als letztes Jahr. Und nach wie vor finde ich es unglaublich, dass ich überhaupt laufe. Und dann so viel und oft. In einem der Laufratgeber stand, dass sich erst nach drei bis vier Jahren regelmäßigen Trainings Muskulatur und Skelett komplett um- und auf die Belastung eingestellt haben. Dass man erst dann seine wirkliche Form erreicht hat (watch out, AK 40!!). Ich habe in dem einen Jahr schon einen gewaltigen Sprung gemacht. Einen von ungefähr 45 min. Einen in ein wesentlich gesünderes Leben. Seit Mitte Mai ernähre ich mich ausgewogen, bewusst und sehr proteinreich. Der Effekt ist unübersehbar. Und ich mag es, wie viel vernünftiger mich das Laufen gemacht hat. Ich achte viel besser auf mich, höre viel schneller schiefe Töne, die mich warnen, sollte ich mich doch einmal wieder übernehmen, was in den vergangenen Jahren durchgängiges Thema war. Ich glaube, ich habe mal irgendwo gelesen, dass Laufen erdet. Das kann ich nur bestätigen. Es sorgt für einen Rhythmus, eine grundlegende Struktur - und für Glück. Deshalb laufe ich so gern, und deshalb war für mich nach dem Marathon 2014 klar, dass es weitergehen wird. Dass ich weiterlaufen werde.
Ich genieße es, dass ich mittlerweile richtig übers Laufen ausgehorcht werde. Das gab es letztes Jahr nicht. Da haben mich fast alle für verrückt, ambitioniert oder sonst was gehalten, als ich endlich soweit war, offen darüber zu sprechen, dass ich im Herbst einen Marathon laufen werde. Wahrscheinlich haben sie mich sehr gut gespiegelt, ich habe mich selbst für verrückt und ambitioniert und vielleicht sogar ziemlich lebensmüde gehalten. Weil das mitunter das Erste ist, was einem Nichtläufer suggerieren. Dass Laufen gefährlich ist. Deshalb habe ich auch meinem Nachbarn vor meinem ersten Halbmarathon einen Zweitschlüssel gegeben, damit er sich - für den Fall der Fälle - um meinen Hund kümmern kann. Und ich habe in vollen Zügen gelebt. Falls mir was passiert, beim Laufen, beim Lauf. Weil es ja so gefährlich ist. Lustig, wie magnetisch ich für die Sorgen anderer bin. Und auch wenn diese geschürte Angst mich mit einem unbändigen Mut versehen hat, so hat sie mir auf anderen Ebenen auch ein bisschen die Luft abgeschnürt. Auch das ist in diesem Jahr anders. Ich laufe frei, sorglos und mit Freude. Und bin weiter mutig und aufmerksam.
Und ich bin so glücklich wie nie.
Tut euch Gutes. Seid lieb zu euch. (Und drückt mir die Daumen für Sonntag, da strebe ich eine neue PB beim Stadtlauf von Sportscheck an. ;) )
Bei meinem letzten Halbmarathon im Juni bin ich auf dem Rückweg mit einem Pärchen ins Gespräch gekommen. Der Mann war den Marathon gelaufen, die Frau den Halbmarathon. Sie haben wegen der Kinder damals auf Dreiviertelstellen verkürzt - und das dann beibehalten, die Zeit nutzen sie seit die Kinder aus dem Haus sind fürs Laufen. Und sie laufen viel, meist zwei Marathons pro Jahr. Nach den kleineren Distanzen hab ich dann schon gar nicht mehr gefragt. Beide AK 50 und fit wie die Turnschuhe.
Das war ein sehr angeregtes Gespräch - und kurz vorm Aussteigen empfahl mir die Frau dann eine Doku, die sie gesehen hatte: Herbstgold.
Die habe ich nun gestern gesehen - und ich werde wohl ähnlich strahlend davon erzählen wie sie.
Die Doku begleitet mehrere Sportlerinnen und Sportler, die regelmäßig an Senioren Welt- und Europameisterschaften teilnehmen, die Auswahl erstreckt sich von AK80 bis AK100!
Die SportlerInnen kommen aus Italien, Deutschland, Schweden, Österreich und Tschechien.
Sie trainieren meist in Eigenregie, auch das ist in der Doku zu sehen. Am meisten ergriffen hat mich dann aber die Begleitung bei Wettkampf. Da ist plötzlich die Nervosität, der Siegeswille, der Konkurrenzkampf zu spüren. Sind alle fünf vorher lustig und fröhlich und gut drauf, so sind sie just bei dem Wettkampf am glücklichsten. Es ist so schön zu sehen, dass sich da plötzlich der Ehrgeiz meldet. Überhaupt! Die haben alle eine sehr gesunde Portion Ehrgeiz. Das sieht man auch besonders an dem Hundertjährigen.
Er hat sich eine Knieverletzung zugezogen, bekommt mit seinen 100 noch ein neues Knie und schafft es tatsächlich, bis zum Wettkampf wieder auf den Beinen zu sein.
Da laufe und laufe ich seit nunmehr anderthalb Jahren - und hatte nach dem Marathon im September das letzte Mal Muskelkater. Was - laut Laufbuch - ein Zeichen für angemessenes Training ist, das nicht überfordert. Und eben auch glücklich macht. Also, mich. So viele Kilometer laufen, so viel bewegen, dass es sich nichts als gut anfühlt.
Und dann war ich gestern bei meiner Rückengymnastik, die ich seit nun sechs Wochen wieder regelmäßig mache (und der Effekt! Hammer!), jedenfalls war gestern mal wieder Fokus auf den Beinachsen, außerdem bin ich mit dem Rennrad hin und zurück - und heute habe ich Muskelkater in den Oberschenkeln. Das ist schön und ungewohnt und irgendwie lustig.
Morgen laufe ich beim Strausberg Marathon die Halbmarathondistanz mit, da wird sich der Muskelkater wohl hoffentlich schon verabschiedet haben.
Ist mein erster Halbmarathon seit über einem Jahr. Ich hoffe, es gelingt mir, nicht nur meine Bestzeit zu knacken, sondern unter zwei Stunden zu bleiben.