Hm.

Ich habe mir Carolin Emckes Buch "Wie wir begehren" gekauft, weil es mich thematisch interessierte.
Zugegebenermaßen habe ich es sehr schnell gelesen. Was aber nur daran lag, dass ich es sicher niemals zu Ende gelesen hätte, wäre ich nicht drangeblieben.
Es fängt halb interessant, halb blabla an - aber weil ich ein paar ihrer Gedanken bezüglich Geschlechterwahrnehmung und -trennung gerade im Kindesalter teile, blieb ich erst mal dran.

Aber die Euphorie um dieses Buch verstehe ich nicht. Ich finde, es ist nicht gut geschrieben, sondern unnatürlich überladen mit großen Wörtern, die nicht so wirken, als wäre Emcke gewohnt, sie zu benutzen. Eher, als wären sie hier und da für einen Hauch von Sachlichkeit oder um des wissenschaftlichen Tons Willen eingestreut worden. Allein "Begehren". Nicht unbedingt ein Wort, auf das man oft stößt - eben deshalb stieß es wahrscheinlich mir so auf, als es da fast auf jeder Seite (manchmal mehrfach) prangte.
Und dieses "wir", als wären all ihre Erinnerungen auch kollektiv die aller ihrer Mitschüler - schlimmer noch: aller (West)Kinder damals. Find ich schwierig.
Ebenso schwierig finde ich, dass der Freitod eines ehemaligen Mitschülers für ihr Theoretisieren über just DAS Begehren herhalten muss. Übrigens ein anderer Grund dafür, dass ich das Buch ausgelesen habe. Ich wollte wissen, ob sie mehr hat, auf das sie ihre Vermutung bezüglich seines Begehrens stützen kann, als die paar Beobachtungen aus Kindertagen. Und die hat sie nicht. Gerade deshalb finde ich diesen Text wohl auch so konstruiert und pseudowissenschaftlich. In einer Rezension las ich, dies seien Butlers Theorien mal am Menschen dargestellt. Oder so ähnlich. Der Meinung bin ich nicht. Butlers Philosophien über Geschlecht, Gender und - meinethalben auch - Begehren lassen sich sehr schön in den bisher leider immer noch nicht ins Deutsche übersetzten Büchern von Kate Bornstein wiederfinden. Auch Bornstein schreibt sehr persönlich über Geschlecht, Begehren - aber irgendwie rein und nicht so aufgesetzt wie Emcke.

Das einzig Positive, das ich dem Buch abgewinnen konnte, war, dass es viele und zum Teil wunderschöne Kindheits- und Jugenderinnerungen aus meinem Gedächtnis heraufbeschworen hat. Dafür hab ich die zwanzig Euro dann auch gern gezahlt.

Endlich mal jemand, der das schreibt: auch ich fand das Buch pathetisch, undifferenziert (das große, allumfassende, nicht präzisierte "wir" ging mir nach drei Seiten auf die Nerven) und vor allem: geht es fünf Schritte hinter das zurück, was feministische (von mir aus gender-)Theorie in den letzten Jahrzehnten geschrieben hat. Ein paar schöne Szenen ja, mir ist die mit der berührten Hand der Palestinenserin besonders in Erinnerung geblieben, die Idee, dass je nach Geschlechtswahrnehmung anders reagiert wird, sehr schönes Beispiel, aber insgesamt: wischiwaschi, enttäuschend.